Aktionsarchiv
Liebe Mitfastende,
ich gehe gern allein spazieren. Andere Menschen stören mich da eher. Ihr Tempo ist oft nicht meins. Wenn sie schweigen könnten, reden sie, und umgekehrt. Aber – und dieses Aber muss kommen – ich lebe in einer Welt der Gemeinschaft und des Miteinanders. In einsamen Nächten fehlt mir der Mensch, den ich liebe. Sind die Tage ohne Begegnung, spreche ich mit mir selbst, sage mir Gedichte auf und beginne, mich zu langweilen.
Ich liebe beide Welten, den einsamen Spaziergang wie das große Fest. Das Fastenmotto „Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge“ ist deshalb für mich ein Volltreffer. Wie schaue ich auf mein Leben, das hin- und herschwingt zwischen mir und den anderen, den anderen und mir? Auf welche Alleingänge kann ich verzichten? Wo brauche ich die Einsamkeit und das stille Nachdenken?
Die Wochenthemen dieses Fastenkalenders führen vom „Miteinander gehen“ über das Miteinander mit den Liebsten, mit Fremdem, mit der Schöpfung und der weiten Welt zum Miteinander mit den mir Anvertrauten und mit Gott. Manches wird Ihnen nahe sein, während anderes Sie Überwindung kosten mag. Abschweifen in das
Alleinsein ist erwünscht, Aufbruch auch: „Komm rüber!“ Denn Segen ist an das Aufbrechen gebunden, nicht an das Verharren.
Neue Gedanken wagen, der anderen Meinung ohne Furcht begegnen – das macht reich. Freuen wir uns auf die Herausforderung! Fastenzeit ist kein Verzicht um des Verzichts willen. Sie führt uns zu neuen Erfahrungen, im Alleinsein und im Miteinander. Schön, dass Sie dabei sind!
Ihr
Ralf Meister
Landesbischof in Hannover und Botschafter der Aktion „7 Wochen Ohne“
Drei Dinge sind uns aus dem Paradies geblieben: Die Sterne der Nacht, die Blumen des Tages und die Augen der Kinder. Auch wenn umstritten ist, ob der Dichter und Philosoph Dante Alighieri (1265–1321) dies wirklich so schrieb: Die Welt ist voller Schönheit. Doch fällt es angesichts der aktuellen Krisen schwer, das zu sehen.
Nicht zu verzagen.
In dunklen Zeiten braucht es Licht, um den Mut nicht zu verlieren. Die Fastenaktion „7 Wochen Ohne“ der evangelischen Kirche steht deshalb in diesem Jahr unter dem Motto „Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit“. Wir laden Sie ein, von Aschermittwoch bis Ostern mit uns unterwegs zu sein. „Licht an!“ heißt es in der ersten der sieben Wochen. Wir werden genau hinschauen: auf unsere Ängste (Woche 2) und auf das, was uns trägt und Kraft gibt (Woche 3). In der Mitte der Fastenzeit, der vierten Woche, strahlen und leuchten wir selbst. Von da an rückt Ostern immer näher, und wir gehen gemeinsam (Woche 5) durch die dunkle Nacht (Woche 6) in den hellen Morgen (Woche 7). In den sieben Fastenwochen geht es nicht allein um innere Erleuchtung, sondern auch um die Ausstrahlung auf andere. Werden wir unser Licht auch anderen schenken? Werden wir Helligkeit bringen? Mit unseren Worten, Gesten, unserem Tun?
Die Fastenzeit ist kein Verzicht um des Verzichts willen. Sie führt uns Tag für Tag zu neuen Erfahrungen. Diese Zeit lässt uns mit einem anderen Blick auf die Welt schauen.
Schön, dass Sie dabei sind!
Ralf Meister
Landesbischof in Hannover und Botschafter der Aktion „7 Wochen Ohne“
Üben ist Bewegung. An jedem Tag, in jeder Situation. Und „7 Wochen Ohne“ ist das Trainingslager dafür. Die Fastenzeit bezieht sich auf Jesu vierzig Tage in der Wüste.Er stieg aus dem „normalen“, üblichen Leben aus, um sich darüber klarzuwerden, ob er dem Weg Gottes folgen könne oder wolle. Jesus übte Enthaltsamkeit nichtum ihrer selbst willen. Er trainierte.
Manches aber kann ich nicht für mich allein üben. Kritik zum Beispiel. Es ist gut, wenn wir das unseren Mitmenschen gegenüber tun. Und es hilft, wenn wir den Sinn dieser Formulierung verstehen: Unsere Meinung zum Tun und Denken unserer Nächsten ist keine absolute, starre Besserwisserei. Wir äußern Kritik, weil wir Bewegung in Beziehungen ersehnen. Und dazu gehört auch, dass wir Geduld üben, wenn uns die oder der Nächste widerspricht.
Los geht’s! Übung macht den/die Meister:in! Der Weg zu einer geschlechtergerechten Sprache ist übrigens ein gutes Beispiel: Um den Stillstand, das Festhalten an überkommenen Sprachregeln zu überwinden, hilft nur die Entwicklung eines sensiblen Bewusstseins. Und das purzelt einem – oder einer – nicht einfach ins Hirn. Auch hier also muss man trainieren, also üben, üben, üben!
Es würde mich sehr freuen, wenn niemand bei der Lektüre des Kalenders stillsteht. Und wenn doch? Dann eben jeden Tag das Verständnis eines Textes oder Bildes üben – oder auch die Kritik daran. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen!
Arnd Brummer
Gemeinschaften brauchen Regeln. Doch zu den Regeln gehört Spielraum. Und dessen Auslotung ist eine Kunst. Dass es auf Erden keine absolute Wahrheit gibt, kann man in Demokratien vielfach erkennen. Parlamente oder Gerichte beraten in schwierigsten Fällen darüber, wie eine Ordnung auszulegen ist. Eine totale Blockade jeglichen Widerspruchs lässt sich mit der Botschaft der Liebe Jesu Christi nicht vereinbaren, wie sie der Apostel Paulus in seinem Brief an die Korinther beschreibt – unsere Bibelstelle zur vierten Fastenwoche.
Liebe und Gnade eröffnen keine grenzenlosen Wüsten, sondern machen Regeln im Alltag anwendbar. Großzügigkeit heißt nicht: „Es ist mir egal, wie du darüber denkst. Hier gilt nur, was ich für richtig halte!“ Sondern: „Lass uns mal darüber reden, wie wir das hinkriegen, obwohl wir verschiedener Meinung sind.“
In den Zeiten der Corona-Pandemie habe ich solches mehrfach erlebt. Wenn Menschen in Seniorenheimen nicht besucht werden durften, erwies sich dies als äußerst harte Begrenzung. Deren Sinn, Bewohner und Pflegekräfte zu schützen, war jedoch keine absolute Blockade. Schon bevor dies offiziell erlaubt wurde, nutzten Heimleitungen ihren Spielraum, öffneten die Türen für Freunde von Sterbenskranken, auch wenn sie nicht zur engsten Verwandtschaft zählten.
Ich werde meinen persönlichen Umgang mit Regeln im Sinne des Fastenmottos 2021 „Spielraum – Sieben Wochen ohne Blockaden“ erkunden. Wie kann ich innerhalb von akzeptierten Grenzen großzügig und vertrauensvoll leben? Mit meinen Nächsten in Familie, Gruppen und Vereinen werde ich ebenfalls darüber reden.
Es würde mich sehr freuen, wenn Texte und Bilder dieses Kalenders auch Sie inspirieren, den vorösterlichen Spielraum zu nutzen.
Alles geht schief! Das wird nix mehr! Warum neigen so viele Menschen dazu, die Zukunft als Zeit der Niederlagen, Misserfolge, ja Katastrophen zu beschreiben? Angst und Sorge treiben sie an. Wenn die anderen Leute in Familie und Gesellschaft ihnen nicht glauben, reagieren sie mit einem Achselzucken: Ihr habt halt keine Ahnung! In ihrer pessimistischen Haltung fühlen sie sich von diversen Medien und Gruppen bestätigt, wenn diese einzelne Vorfälle und Ereignisse als Belege dafür deuten, dass der Untergang des Abendlandes unmittelbar bevorsteht.
Angst und Sorge sind zentrale Elemente menschlichen Bewusstseins. Sie dürfen aber nicht dominieren und Menschen in Hoffnungslosigkeit fallen lassen. Unser Motto für die Fastenzeit 2020, „Zuversicht! Sieben Wochen ohne Pessimismus“, soll im Sinne Jesu Christi dazu ermuntern, Zukunftsangst und Misstrauen zu überwinden. In der Geschichte von Tod und Auferstehung, der die Fastenzeit und Ostern gewidmet sind, lebt neben Glaube und Liebe das Prinzip Hoffnung, wie es Paulus in seinem Brief an die Korinther beschreibt.
Wir möchten mit Texten und Bildern dazu ermuntern, auch in schwierigsten Lebensphasen nicht zu übersehen, wie viel Verstand, Mut und Können in uns, in unseren Familien, Freundeskreisen und Gemeinschaften steckt. Mit Zuversicht kann es gelingen, aus Krisen zu lernen und gemeinsam neue Wege zu entdecken. Wir kriegen das schon hin! Kein Grund zu Pessimismus!
Fast zwei Drittel der Deutschen glauben, auf Fragen wie „Hat es geschmeckt?“ oder „Wie sehe ich aus?“ dürfe man mit einer Lüge antworten. Das ergab eine Umfrage. Gefälligkeitslügen nennt man das, und meist geht es darum, die gute Stimmung zu halten und eine Konfrontation zu vermeiden. Was denken Sie darüber? Gilt das achte Gebot unbedingt? Auch dann, wenn ich anderen mit der Wahrheit vielleicht wehtue oder gar schade?
Mit der Fastenaktion „Mal ehrlich! Sieben Wochen ohne Lügen“ widmen wir uns dem Umgang mit der Wahrheit. Nicht unbedingt so wie der Journalist, der einmal – als Experiment – 40 Tage lang schonungslos ehrlich war und dabei seine Kollegen beleidigte, seine Frau verprellte und seinen besten Freund verriet.
Aber auch wir werden öfter mal die Komfortzone verlassen. Wir wollen gemeinsam danach suchen, was die Wahrheit eigentlich ist und wie wir sie erkennen. Wir werden versuchen, uns selbst nicht zu belügen und mit anderen
ehrlich zu sein. Wir sollten auch über Wahrhaftigkeit nachdenken. Und darüber, wann man für die Wahrheit streiten muss.
In den sieben Wochen bis Ostern können wir vielleicht auch Gottes Wahrheit näherkommen – und dabei auch uns selbst.
Machen Sie sich mit uns auf den Weg!
Ich bin in einem Verein, in dem meiner Meinung nach einiges schiefläuft. Ob ich das in der nächsten Versammlung ansprechen soll? Mein Freund Jan meint: „Lass es!“ Der Vorstand könne es auf den Tod nicht leiden, wenn jemand Diskussionen anzettle: „Die wollen das durchziehen und nach spätestens anderthalb Stunden fertig sein. Und die meisten Mitglieder sehen das genauso. Wenn du aufstehst und ans Mikro gehst, bist du der Buhmann.“ Natürlich hat er recht, aber soll ich deshalb dazu schweigen? Unser Fastenmotto 2018 ist eindeutig. Es heißt „Zeig dich! Sieben Wochen ohne Kneifen“. Denn: Debatten sind lästig, aber ohne Rede und Gegenrede kommt eine Gemeinschaft nicht weiter. Zeig dich! Das fiel einem Mönch namens Martin Luther vor 500 Jahren nicht unbedingt leicht. Er rang sich durch. Und vor ihm viele andere, wie die Bibelstellen zeigen, die wir für die Fastenzeit ausgewählt haben: Gott zeigt sich jenen, die mit ihm, also mit der Wahrheit ringen wie Jakob (Woche 1). Und er zeigt sich in den Menschen, die Mitgefühl zeigen, anderen helfen wie der barmherzige Samariter (Woche 2). Zu zeigen, dass man liebt, das kann man von der Frau lernen, die Jesus mit kostbarstem Nardenöl salbt (Woche 3). Dass wir nicht kneifen sollen, wenn wir einen Fehler gemacht haben, zeigt wiederum der Schöpfergott dem nackten Adam, der sich mit schlechtem Gewissen vor ihm versteckt (Woche 4). Widerstände von außen überwindet der blinde Bettler, der voller Hoffnung nach Jesus ruft. Seine Freunde zischen ihm zu, er solle doch die Klappe halten. Zum Glück tut er das nicht (Woche 5). Zu zeigen, wofür man steht, kann schwer sein. „Ich kenne den Menschen nicht“, sagt ein gewisser Simon Petrus drei Mal, als er auf den verhafteten Jesus angesprochen wird. Ja, er kneift (Woche 6). Wie Jona, der erst im Bauch des Walfisches nicht mehr vor Gott und vor sich wegrennen kann. Da endlich sieht er klar: Ich muss raus, mich zeigen, mit den Leuten reden, auch wenn ich mich davor fürchte, auch wenn es unangenehm werden kann (Woche 7).
Und ich? Ich werde mich in der Jahreshauptversammlung zu Wort melden. Und wünsche Ihnen eine Fastenzeit mit offenen Augen und offenem Visier!
Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort! Was soll denn das? Genau! Pause. Und dann? Mal durchatmen.
Die Ungeduld gilt als ein Symbol der Moderne. Man darf vieles verlieren – nur nicht die Zeit. Gut also, dass ich meine Post nicht mehr zu Hause am Tisch lesen muss, nachdem ich – gefühlt stundenlang! – auf die Briefträgerin gewartet habe. Nein, die Mails lese ich an der Ampel auf meinem Smartphone. Und antworte noch auf dem Parkplatz vor dem Haus. Sofort!
„7 Wochen Ohne“ möchte 2017 eine Kur der Entschleunigung anbieten. Alles hat seine Zeit, verspricht uns der Prediger in der Bibel (dazu Woche 1).
Zeit für schwierige Entscheidungen, die kleinen und die großen (Woche 2). Zeit, den Menschen im anderen zu sehen, etwa in der Schlange im Supermarkt, auch wenn man es eilig hat. Und dort vielleicht ein Bibelwort neu verstehen zu lernen: „So werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein.“ (Woche 4) – Zeit, wenn etwas schiefgeht, nicht gleich loszupoltern, sondern noch mal durchzuatmen. Statt den Zeigefinger mit der „Du bist schuld!“-Tirade auszufahren, lieber die ganze Hand ausstrecken, zuhören und vergeben (siehe Woche 5). Und: Nicht sofort aufgeben! Wenn es nicht mehr weitergeht, einmal Pause machen, eine Tasse Tee trinken, nachdenken: Zeit, den Dingen und sich selber eine zweite Chance zu geben (dazu Woche 6).
Dieses Innehalten hat uns Gott ganz am Anfang in unsere Zeitrechnung geschrieben: Den siebten Tag segnete der Schöpfer – und ruhte. Dazu sind wir auch eingeladen, jede Woche: Gottes Zeit feiern – bevor es wieder Alltag, wieder spannend wird. Mal nicht funktionieren, nicht Maschine sein, sondern Mensch (Woche 7). Das musste sich übrigens auch die fleißige Marta von Jesus sagen lassen: Sie hatte ihre Schwester Maria angemault, weil die nicht in der Küche half, sondern mit Jesus rumsaß und sich unterhielt. Und Jesus sagte: „Maria hat den guten Teil erwählt.“ (Woche 3)
Greifen auch Sie zu: Augenblick mal! Sieben Wochen ohne Sofort!
Wenn etwas von Herzen kommt, dann geht es meistens ums Ganze: aus vollem Herzen singen, von ganzem Herzen lieben, mit ganzem Herzen bei der Sache sein... Das Herz ist als Organ der Kleinlichkeit nicht geeignet, es lebt die Fülle und die Weite! Und es gibt der Barmherzigkeit ihren Namen.
Unser Herz bleibe der offene Ort des Mitmenschlichen. Wenn es sich nicht verhärtet und verschließt, hat es viel Platz für andere. So können wir einander ins Herz schließen, können teilen, gönnen und verzeihen.
Diesem leidenschaftlichen Organ wollen wir in der Fastenzeit unsere Aufmerksamkeit widmen: „Großes Herz! Sieben Wochen ohne Enge“, unter diesem Motto laden wir Sie ein zu entdecken, was Ihr Herz weit macht.
Einfach mal jemanden einladen, den wir noch nicht kennen. Und einander mit Neugier und ohne Vorbehalte begegnen. Teilen, was da ist, und erleben, dass es für alle reicht. Dass da immer noch Platz ist, wenn jemand hinzukommt. „Sieh das mal nicht so eng“, sagen wir, und es lohnt den Versuch. Sich über das Glück der anderen freuen – und lachen können über den eigenen Neid. Nicht mehr aufrechnen, was war – und Vergebung schenken.
Diese innere Weite öffnet den Blick nicht nur für den Nachbarn jenseits des Gartenzauns, sondern auch für den Flüchtling, der von weit her kommt. Wir können Wohnraum, Arbeit und sogar Heimat teilen. Ein großes Herz taugt als guter Gastgeber und Dolmetscher, der enge Grenzen überwindet.
Wir können dabei aus der Fülle schöpfen, denn unser großes Herz ist gehalten in Gott. Wir müssen nicht immer sorgen und rechnen, denn: „Gott kann machen, dass alle Gnade unter euch reichlich sei, damit ihr in allen Dingen allezeit volle Genüge habt und noch reich seid zu jedem guten Werk“ (2 Kor 9,8).
Alles so schön, rund herum: Von der Shampooflasche bis zum Geräusch beim Schließen einer Autotür wird heute alles gestaltet, designt, um zu gefallen. Und die ästhetische Perfektion des bunten Warenkosmos gilt längst auch für Menschen: kaum mehr eine Körperzone, die nicht für Optimierung infrage käme.
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Studien zufolge empfinden die meisten Menschen ebenmäßige Züge und harmonische Formen als schön. Die Lebenserfahrung aber zeigt, dass es das Eigenwillige und Besondere ist, was wir ins Herz schließen: die Zahnlücke, die beim Lächeln sichtbar wird, den Hund mit dem ewig abgeknickten Ohr, den Humor der Kollegin.
In der Fastenzeit 2015 möchten wir mit „7 Wochen Ohne“ das Unverwechselbare entdecken und wertschätzen. „Du bist schön! Sieben Wochen ohne Runtermachen“ lautet das Motto. Wir laden Sie ein, aus vollem Herzen zu sagen: „Du bist schön!“ – zum Menschen an Ihrer Seite wie auch dem eigenen Spiegelbild. Und sieben Wochen lang soll gelten: „ohne Runtermachen!“ Halten Sie inne, wenn Sie am eigenen Körper mal wieder Abweichungen von der Traumfigur feststellen, wenn Sie Ihrem Nachwuchs die exotische Frisur verübeln oder dem Nachbarn den Gesang unter der Dusche.
Wir wollen die Schönheit suchen, würdigen und feiern, vor allem da, wo sie sich nicht herausputzt und in Pose wirft. Und wo wir sie gelegentlich übersehen: weil sie nicht den gängigen Maßstäben entspricht oder einfach weil wir mit der eigenen Selbstoptimierung beschäftigt sind. Was verstellt uns immer wieder den Blick für die Pirouetten der Natur, die schönen Schnörkel des Alltags und den liebenswerten Wirbel in der Stirn unserer Liebsten?
„Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der Herr aber sieht das Herz an“, weiß die Bibel. Aber auch unser Herz sieht sehr gut: „Schön ist eigentlich alles, was man mit Liebe betrachtet“ (Christian Morgenstern). Diesen Blick wollen wir schulen und das Herz öffnen für die Schönheiten jenseits der Norm. Gönnen Sie den Unscheinbaren einen liebevollen Blick, den Zaghaften eine Bühne und bewundern Sie die wundervoll (un)vollkommenen Gesichter und Werke Ihrer Nächsten.
Wir sind umgeben von Ebenbildern Gottes, Sie können sie leuchten sehen!
Das aber ist gar nicht so gewiss: Wie viele ungeprüfte Gemeinplätze lagern da so in unserem Oberstübchen? Worauf berufen wir uns, wenn wir bekannte Regeln und Argumente zitieren? Bahnfahren ist ökologisch sauberer als Autoverkehr, Kinder verbringen zu viel Zeit am Bildschirm und von Süßigkeiten bekommt man Pickel – das klingt alles richtig und ist schnell mehrheitsfähig. Aber stimmt das – und wie will ich das selber handhaben?
Selber denken! 7 Wochen ohne falsche Gewissheiten – das Motto klingt so selbstverständlich, erweist sich aber in der Praxis als Herausforderung. Denn wenn wir uns in der Fastenzeit darin üben wollen, geht es nicht um sieben Wochen Vernunftherrschaft. Es kann, im Gegenteil, ganz schön unvernünftig sein, selber zu denken. Das Bild vom „Denken ohne Geländer“ hat Hannah Arendt geprägt. Es kann nämlich durchaus gefährlich sein, Denkverbote zu ignorieren und den Chef auf einen Fehler hinzuweisen. Mut braucht es auch, Gewohnheiten und Traditionen infrage zu stellen – im Job, in der Familie oder in der Kirche. Und wer gern nörgelt über zu wenig Grün in der Stadt oder blöde Kandidaten zur Wahl, sollte mal den Zuschauerraum verlassen und selber etwas auf die Beine stellen. Dafür muss man den eigenen Kopf gebrauchen – und zunächst mal einen haben!
Das Geländer vermeintlicher Gewissheiten, kritisch geprüft, erweist sich gelegentlich als morsch – und verzichtbar. Das können wir riskieren, weil wir uns auch freihändig gehalten wissen dürfen: Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!, ruft Paulus seinen Gemeinden zu (Gal 5,1). In dieser Freiheit können sich nicht nur neue Denkräume öffnen, sondern auch Spielraum für Worte und Taten.
So geht es dabei um einen neuen, eigenen Blick auf die Dinge – um vielleicht denkend sich selber und die Welt neu zu entdecken. In gut aufklärerischer Tradition heißt das: „Ich denke, also bin ich“ (René Descartes). Die Bibel benennt es noch existenzieller: Mehr als auf alles andere achte auf deine Gedanken, denn sie entscheiden über dein Leben (Sprüche 4,23). Wir wünschen Ihnen dafür Entdeckergeist, Ketzermut und viel Freude an eigenen Denk-Abenteuern!
Immer wieder haben wir Sie in den vergangenen Jahren dazu aufgefordert, Bewährtes außer Acht zu lassen und den Alltag mal ganz anders aufzuziehen. Dieses Jahr, so mag der eine oder die andere meinen, haben wir’s wirklich übertrieben. „Riskier was, Mensch! Sieben Wochen ohne Vorsicht“, das klingt wie der Auftrag zu Leichtsinn und Rabaukentum. Wir wissen uns damit aber in bester Gesellschaft.
In der Bibel wimmelt es von unvorsichtigen Männern und Frauen. Menschen, die übers Wasser laufen, Hochschwangeren, die auf Reisen gehen, ohne auch nur ein Hotel zu buchen. Da sind Leute, die von jetzt auf gleich Job, Haus und Hof verlassen, mittellose Witwen, die mächtigen Richtern auf den Wecker gehen, und ein unstudierter Wanderprediger, der es sich mit Staat und Klerus gleichzeitig verscherzt. Ratgeber, die vor Genmais und Finanzfallen warnen, vor Abenteuern, Karies und Taschendieben, gibt es genug. Jenseits dieser Hochsicherheitszonen aber liegt jede Menge Leben. Wer mehr riskieren will, muss keinen Extremsport betreiben oder ohne Sinn und Verstand an der Börse spekulieren.
Wir laden Sie ein, sich von den Hasardeuren der Bibel inspirieren zu lassen und gelegentlich auf die Fangnetze und doppelten Böden im Leben zu verzichten. Es reichen die kleinen Wagnisse, um etwas in Bewegung zu bringen: einmal freihändig balancierend etwas Neues ausprobieren, ein offenes Wort wagen und den folgenden Streit riskieren, festhalten an dem, was Ihnen wichtig ist, auch wenn die Idee scheinbar chancenlos ist.
Darum – Sie ahnen es bereits – riskieren wir bewusst was mit diesem Motto der Fastenaktion „7 Wochen Ohne“ 2013. „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist“, heißt es in Josua 1,9. Wir freuen uns, dass Sie so unverzagt sind und mitmachen!
"Jeden Tag ein bisschen besser“ – mit diesem Slogan preist nicht nur die Werbung ihren Ehrgeiz. Auch Eltern, Lehrer, Arbeitgeber könnten in das Credo einstimmen. Nach den jüngsten Erfolgen werden immer gleich die neuen Ziele ausgerufen. Was gestern gut war, muss morgen überboten werden: Die Skala ist nach oben immer offen. Jeder könnte besser, schneller, attraktiver sein.
Karriere, Körper, gut gepflegte Netzwerke – alles Aktivposten in einem Leben voller Potenziale und Optionen. Bildung, Schönheitsbehandlungen, Therapien: ein Heer an Dienstleistern steht bereit, um aus uns allen das Letzte rauszuholen. Das Bekenntnis zu Grenzen und Schwächen käme einer Bankrotterklärung der eigenen Chancen gleich.
"Sieben Wochen ohne falschen Ehrgeiz“, das klingt auf diesem Hintergrund wie eine Aufforderung zum Scheitern, ein Lockruf der Sünde in einer optimierten Welt. "Gut genug!“, lautet die Botschaft, die wir Ihnen dafür mit auf den Weg geben. Sieben Fastenwochen lang dürfen Sie’s gut genug sein lassen und den Blick schulen für den Punkt, wo’s reicht. Darf Zufriedenheit aufkeimen mit dem Gegebenen, dem Geschenkten. Darf Wissen aufleuchten um die Unverfügbarkeit des Glücks.
Als Christen ist uns gesagt: Jenseits allen Werkelns hat der Mensch einen Wert an sich. Du hast ihn wenig niedriger gemacht als Gott, mit Ehre und Herrlichkeit hast du ihn gekrönt, so besingt Psalm 8 Gottes gute Schöpfung, den Menschen. "Gut genug!“ – damit stimmen wir ein in dieses Lob und entdecken die Gnade, mit der wir gesegnet sind.
Wir schlagen daher vor, das Motto "Ich war’s! Sieben Wochen ohne Ausreden“ durchaus als Befreiungsschrei zu proben. Gönnen Sie sich die Ehrlichkeit, genauso gut oder schlecht dazustehen, wie Sie den Alltag eben so meistern. Auszusteigen aus dem Schwarzen-Peter-Spiel. Und Ihre Mitmenschen mit genau der Großzügigkeit und Nachsicht zu behandeln, die ihnen Gleiches erlaubt. "Was töricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählt, damit er die Weisen zuschanden mache“, schreibt Paulus an die Korinther (1. Kor 1,27). Damit hat der ehrliche Dumme einen starken Partner, der für ihn einsteht.
Legen Sie los – wann sagen Sie das erste Mal: "Ich war’s“?
Die virtuellen Verknüpfungen im globalen Dorf machen vieles schneller, einfacher und bequemer – aber die Wege zueinander werden doch nicht kürzer. Will ich den anderen wirklich erreichen, dann ist das immer noch Handarbeit. Gemeinschaft lebt von der Begegnung – von Angesicht zu Angesicht, mit offenem Visier, ohne doppelten Boden.
Die Fastenaktion „7 Wochen Ohne“ im Jahr 2010 will Sie ermuntern zum Wagnis und zum Luxus leibhaftiger Nähe. Sie will Raum schaffen, Ihnen Worte und Bilder mit auf den Weg geben, für ein Streitgespräch, einen Krankenbesuch oder eine überfällige Liebeserklärung. Für alles, was nicht in eine SMS oder E-Mail passt. "Näher!", lautet unser Lockruf, mit dem wir Sie einladen, Robinson’sche Einsamkeiten aufzugeben, Bündnisse auszuhandeln, Überraschungsbesuche zu machen, eingeschlafene Kontakte aufzuwecken und einander die Freundschaft zu erklären. Wagen Sie sich aus der Deckung und richtig nah dran, kosten Sie beides aus: die Gänsehaut des Genusses wie der Gefahr. Erkunden Sie die eigenen Grenzen wie auch die Ihrer Nächsten, ignorieren Sie sie nicht, aber prüfen Sie eine Verlegung: hin zu mehr Berührung, mehr Begegnung, mehr Zusammen.
"Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei" – das ist Gottes Absicht und zugleich ein Segen. Als gottebenbildliche Geschöpfe sind wir zutiefst gesellig. Lassen Sie sich das in der Passionszeit gesagt sein – und sagen Sie es weiter –, gönnen Sie sich und anderen sieben Wochen ohne Scheu.
Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, ein Kind in die Welt zu setzen? Sollte man nicht zuerst einen sicheren Job haben und eine vernünftige Wohnung? Und überhaupt: Ist die Partnerin oder der Partner dafür richtig? Und wann ist der Tag gekommen, über das Wohnen im Alter nachzudenken? Hat das nicht noch viel, viel Zeit? Patientenverfügung, Testament? Nutzen Sie die kommenden sieben Wochen der Fastenzeit, um sich darüber klarzuwerden, wie Sie sich vom Ballast vor sich her geschobener Entscheidungen befreien können. Fassen Sie Mut, sich zu bekennen. Werden Sie sich dabei bewusst, dass die Gnade Gottes größer ist als alle Vernunft. Oder wie es Paul Gerhardt formuliert hat:
Unverzagt und ohne Grauen
soll ein Christ, wo er ist,
stets sich lassen schauen.
Wollt ihn auch der Tod aufreiben,
soll der Mut dennoch gut
und fein stille bleiben.
Es geht nicht darum, Dinge nassforsch übers Knie zu brechen. Manchmal ist es der schwerste Entschluss, sich selbst gegenüber zuzugeben, dass man sich der Qual des Abwägens aussetzen muss, anstatt den unangenehmen Fragen einfach auszuweichen. Wer verantwortungsbewusst leben möchte, muss auf das Ergebnis seines Handelns achten und möglicherweise Versuchungen und Verlockungen widerstehen, muss es sich schwermachen.
Die Lebenserfahrung wie auch zahlreiche biblische Schilderungen belegen: Verantwortete Entscheidungen machen frei.
Ja und Nein sagen, den nächsten Schritt machen, Abschied nehmen von längst als falsch Erkanntem öffnet neue Horizonte und lässt uns Vertrauen in die Kraft Gottes gewinnen. Zaudern Sie nicht!
Wer den Weg Jesu von Kanaan nach Golgatha begleitet, wird rasch erkennen, was das Göttliche im Menschen ist.
Verschwenderische Liebe nährt. Also: Fasten Sie und verschwenden Sie Zeit an Ihre Freunde, verschwenden Sie Ihr Geld für eine gute Sache, verschwenden Sie Liebe, genießen Sie, bleiben Sie genießbar.